Der Dialog zuerst! Erfurter Einladung zu einer neuen Diskussionskultur

In der Debatte um die Qualität der Lehre in der „Städtebau-Ausbildung“ als Antwort auf die Kölner Erklärung blieb eine Stimme bisher ungehört: die der Studierenden. Als Bundesfachschaft für Stadt- und Raumplanung vertreten wir einen großen Teil der zukünftigen PlanerInnen im deutschsprachigen Raum und sehen uns deshalb in der Pflicht, unsere Sicht der Dinge zu vermitteln. 

Der Tenor der Erklärung versetzte uns zunächst in Entsetzen: unsere Ausbildung, so die Verfasser, sei Schrott! StadtplanerInnen würden zu TechnokratInnen, die keine Stadträume mehr entwerfen und sich stattdessen um die Organisation von Prozessen kümmern. Auch die Kooperation mit anderen Fachdisziplinen stelle Absolventen vor große Herausforderungen: es würde vor allem aneinander vorbeigeplant. 

Als Vertretung der Studierenden haben wir einen Überblick über die Studiensituation an deutschsprachigen Ausbildungsstätten und können deshalb sagen: Die Forderungen der Kölner Erklärung sind an vielen Planungsschulen bereits Teil der Lehre. Diese Relativierung der Kritik unterstreicht auch eine von Studierenden aus Berlin durchgeführte Berufsfeldanalyse, in welcher „die Berufspraxis“ in Form von 1500 Planungsbehörden, freien Büros, Forschungseinrichtungen und weiteren Berufszweigen den Absolventen und damit wohl auch der Ausbildung eine gute fachliche Qualität und eine hohe Eignung für planerische Aufgaben bescheinigt. 

Wenn die Stadt „zuletzt kommen“ sollte, dann also nicht nur aufgrund der Lehre. Stattdessen sollten die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen, unter denen in der heutigen Zeit geplant wird, kritisch hinterfragt, deren Probleme identifiziert und kontrovers diskutiert werden. Die Lösung dieser Probleme sehen wir weniger in der Behebung von didaktischen, sondern vielmehr von strukturellen „Missständen“: es muss die Systemfrage gestellt werden. 

Die Kölner Erklärung hat ein Feuerwerk der Kritik abgebrannt, das zweifelsohne viel polemisiert, pauschalisiert und verkürzt. Und das ist gut so: denn durch diese Polemik kann die Debatte um die Zukunft der Lehre Eingang in eine breit aufgestellte Diskussion finden. Diese wurde bisher nur vereinzelt und zumeist Statusgruppen- oder Hochschulintern geführt. An dieser Stelle bietet sich nun die Chance, einer „neuen Diskussionskultur“ den Weg zu bereiten, die nicht aus Erklärungen und Polemiken besteht, sondern alle Akteure bei der Gestaltung der Zukunft unserer Profession an einen Tisch bringt. 

Denn eine Weiterentwicklung der Lehre anhand aktueller Diskurse und Gegebenheiten ist notwendig. Dieser Prozess kann und darf aber nicht fachlich eng fokussiert und nicht nur durch eine Interessengruppe betrieben werden. Stattdessen ist – ganz in bester planerischer Tradition – ein breiter Dialog aller Beteiligten aus Wissenschaft, Lehre und Berufspraxis erforderlich. Zu diesem Dialog wollen wir mit dieser „Erfurter Einladung“ aufrufen und gleichzeitig anregen, ihm eine Plattform zu schaffen. Die Neuausrichtung des Hochschultages der nationalen Stadtentwicklungspolitik hin zu einem Ort des Austauschs, des Streits und der Diskussion wäre ein Schritt in die richtige Richtung.