Queers and the City

Hochschulpolitischer Workshop auf dem PIT Davos, 31.10.2019

Caspar Rehlinger (Bauhaus-Universität Weimar)


Anlass des HoPo

Im deutschsprachigen Raum werden in Lehre und Forschung nur sehr selten LGBTIQ-Belange mit räumlichen Aspekten verknüpft oder integriert begriffen und bearbeitet. Vor dem Hintergrund, dass sich 16 % der Europäer*innen zwischen 14 und 29 Jahren als LGBT bezeichnen (Dalia Studie 2016), sollte diesem blinden Fleck in der Forschungslandschaft umgehend Aufmerksamkeit geschenkt werden. Es gibt schon seit den 1850er-Jahren vereinzelte Zeugnisse und Forschung zu queeren Lebenswelten in Städten und ländlichen Regionen. LGBTIQ-Personen existieren offensichtlich und das nicht seit gestern. Wieso gibt es also hinsichtlich dessen so wenig Forschung mit Raumbezug?


Aufgabe / Fragestellung / Arbeitsprozess

In diesem HOPO ging es darum eine Auswahl an Artikeln und Büchern über die Lebenswelten von LBGTIQ-Personen mit Raumbezug zu lesen und neues Wissen zu gewinnen. Im Anschluss folgte eine Diskussion über das Gelernte unter folgenden Aspekten:

  1. Individuell: Was ist die Relevanz dieses Wissens für mich als planerisch tätige Person? Was habe ich durch diese Texte gelernt, allgemein und konkret? Wie kann ich selbst sensibler planen und forschen? Welche Themen sollte ich mitdenken?
  2. Strukturell: Welche planungspolitischen Schlussfolgerungen lassen sich auf Grundlage des gelernten auf einer allgemeineren, strukturellen Ebene ziehen? Welche steuerungspolitischen Schwerpunkte wären wichtig? Welche Art von Forschung ist noch notwendig? Was wären Stellen, wo wir im universitären oder verwaltungspolitischen System ansetzen könnten?

Arbeitsprozess

  1. Vorstellung / Motivation / Selbstverortung / vorhandenes Wissen / Erwartungen
  2. Input zu Situiertem Wissen und feministischer Standpunkttheorie (nach Donna Harraway und Forschungsstand (auch in Deutschland)
  3. Lesen der folgenden Texte:
    • Lawrence, Tim: Listen, and you will hear all the houses that walked there before: a history of drag balls, houses and the culture of voguing. Web: http://www.timlawrence.info/articles2/2013/7/16/listen-and-you-will-hear-all-the-houses-that-walked-there-before-a-history-of-drag-balls-houses-and-the-culture-of-voguing, 05.11.2019
    • Telander, Kyle et al. (2017): ´Ballroom itself can either make you or break you´- Black GBT Youths´ psychosocial development in the House Ball Community. In: Global Public Health 2017, p. 1 – 13.
    • Hirschfeld, Magnus (1904): Berlins Drittes Geschlecht. Web: https://freeditorial.com/en/books/berlins-drittes-geschlecht/related-books, 05.11.2019
    • Provencher, Denis M. (2007): Mapping gay Paris: language, space and sexuality in the Marais. In: Contemporary French and Francophone Studies Vol. 11, No.1, p. 37 – 46.
    • Namaste, Ki (1996): Genderbashing: Sexuality, gender, and the regulation of public space. In: Environment and Planning D: Society and Space 1996, Vol. 14, p. 221 – 240.
    • Wallbraun, Barbara (2015): Lesben im Visier der Staatssicherheit. In: Das Übersehenwerden hat Geschichte. Lesben in der DDR und in der friedlichen Revolution, p. 26 – 50.
    • Bock, Jessica (2015): Die Lesbengruppe in Leipzig. Eine Geschichte der Spurlosen? – Ein Werkstattbericht. In: Das Übersehenwerden hat Geschichte. Lesben in der DDR und in der friedlichen Revolution, p. 99 – 109.
    • Frisch, Michael (2002): Planning as a heterosexual project. In: Journal of Planning Education and Research 21, p. 254 – 266.
    • Bao, Hongwei (2012): Queering / Querying Cosmopolitanism: Queer spaces in Shanghai. In: Culture Unbound 2012, Vol. 4, p. 97 – 120. 
    • Rushbrook, Dereka (2002): Cities, Queer Space, and the Cosmopolitan Tourist. In: GLA: A Journal of Lesbian and Gay Studies, Vol. 8, Nr 1-2, p. 183 – 206.
    • Herman, Jody L. (2013): Gendered Restrooms and Minority Stress: The Public Regulation of Gender and its Impact on Transgender People´s Live. In: Journal of Public Management and Social Planning Spring 2013.
    • Abelson, Miriam J. (2016): ´You aren´t from around here´: race, masculinity and rural transgender men. In: Gender, Place & Culture, Vol. 23, No. 11, p. 1535 – 1546.
    • Hoenes, Josch; Koch, Michael_a (2017): Transfer und Interaktion. Wissenschaft und Aktivismus an den grenzen heteronormativer Zweigeschlechtlichkeit. BIS-Verlag der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. 
  4. Zusammentragen der Texte
  5. Weiterführende Diskussion: Wo stehe ich mit meinem verorteten Wissen? Sind queere Räume wichtig und wieso? Wie kann ich sie als Planer*in Fördern? Wie kann ich als Forscher*in dieses Thema weiterbearbeiten?

Ergebnisse / Ziele für die Zukunft

Schon 1,5 Stunden Querlesen durch verschiedene Texte und Disziplinen zum Thema LGBTIQ, Raum und Planung hat bei den meisten Teilnehmer*innen zu neuen Erkenntnissen und einem Wissensgewinn geführt. Dies Zeit, dass auch Themen, die Cis- und / oder Hetero-Personen in ihrem persönlichen Leben nicht begegnen gelehrt und besprochen werden müssen für ein holistischeres Verständnis von (öffentlichen) Räumen und eine bessere Planung. 

Das bedeutet: Perspektiven abseits der heteronormativen Binarität müssen Einzug in Planung und Lehre erhalten!