Hochschulpolitischer Workshop auf dem PIT Davos, 31.10.2019
Jule und Henner (Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen)
Anlass des HoPo
Wir selbst waren auf fachlichen Austausch mit Studenten / Studentinnen von anderen Unis aus (was sehr gut ankam) und haben und für das Thema „Wie kann sich die Stadt selbstständig machen“ entschieden.
Aufgabe/Fragestellung
2050 sollen mehr als zwei Drittel aller Menschen in Städten leben. Deswegen ist es in Zeiten von rasantem Städtewachstum und des Klimawandels absolut notwendig, die Stadt von morgen sorgfältiger als bisher zu planen. Dafür muss die Stadt unabhängiger vom Umland und von Importen sein und eine geregelte, in sich geschlossene Kreislaufwirtschaft aufbauen. Zeit, um Ideen zu entwickeln.
Die selbstversorgende Stadt der Zukunft baut sich ihre Nahrung selbst an und erzeugt die für sie notwendige Energie wie Strom und Wärme eigenständig. Dazu kommen eine intelligente Wasserwirtschaft und die Wiederverwertbarkeit aller abfallartigen Güter. Wie funktioniert das eigentlich?
Welche Vor- und Nachteile entstehen für die Bewohner, die neuen/alten Dörfer, die Zulieferer und was passiert eigentlich mit der Gesellschaft, wenn jeder für sich selbst sorgen kann?
Soviel zum Intro unseres Workshops, einer Fragestellung, die sich Planer*innen von morgen stellen sollten. Ziel des Workshops war es, gemeinsam Ideen für das oben beschriebene Thema zu entwickeln, bereits erlerntes Wissen auszutauschen und Voraussetzungen und Schritte darzustellen, um die selbstständige Stadt erfolgreich zu entwickeln. Beispielhaft wurden Fachartikel zu bereits bestehenden Projekten bereitgestellt, dies geht von kleineren Entwicklungen wie ReGen Villages (Niederlande) und Feldheim in Brandenburg bis hin zu Städten wie Masdar-City (VAE) und Konza Technopolis (Kenia).
Arbeitsphase 1
In einer ersten Brainstorming-Runde wurde schnell sichtbar, wie facettenreich Stadtplanung doch ist. Allgemein betrachtet hat die Gruppe festgestellt, dass es wichtig ist, regional und lokal zu handeln, um die kompletten Potenziale eines Ortes nachhaltig auszuschöpfen. Es ist wichtig, sozial gerecht zu sein und alle Altersgruppen, Verdienstschichten und Interessengruppen in den Prozess mit einzubinden um auch Potenziale innerhalb der Bevölkerung und Communities auszuschöpfen. Jeder Mensch sollte die Möglichkeit haben, sich beteiligen zu dürfen, vor allem in den Bereichen, in denen er oder sie sich spezialisiert fühlt. Um nachhaltig und zukunftsorientiert leben zu können sollte diese Lebensweise schon früh in den Werdegang eines Menschen integriert werden, beispielweise anhand Gartenprojekten, selbst gebauten Solaranlagen und eines eigenen Wasserreinigungssystems im Kindergarten oder der Schule. Es ist außerdem wichtig, zukünftige Prozesse mit neuen Technologien zu unterstützen, die uns erlauben, einen Schritt weiter zu denken. Morgen wird es nicht mehr nötig sein, das eigene Unkraut zu zupfen oder zum Beete gießen immer daheim zu sein. Neue Technologien erlauben uns, einen Schritt vor – teilweise auch anstrengende traditionelle Lebensweisen – zu machen und trotzdem auf selbst geerntete Tomaten nicht verzichten zu müssen. Konkreter wurde es in der Diskussion mit Fallbeispielen von urban gardening, FoodCorps, SoLaWi, Fairteiler, ECF, Aquaponics, Permakulturen und Energiegenossenschaften. Das Instrument Stadtplanung sollte dabei raumgebend für Ideen handeln und dazu genutzt werden, Bewusstsein zu schaffen, zum Beispiel anhand von Projekten, Kampagnen oder Stadtentwicklungskonzepten.
Arbeitsphase 2
Im Anschluss daran wurden die Fachartikel in kleinen Gruppen oder einzeln durchgelesen oder vorgestellt:
- Ungersheim im Elsass: Diese Stadt hat sich zum Ziel gesetzt, energieautark zu werden und keine Pestizide im Anbau des eigenen Gemüses zu verwenden, welches auf dem eigenen Markt verkauft wird. Geheizt wird mir Holzheizung, Strom kommt von Solaranlagen. Jedoch sind die Bürger zweigeteilt, die einen meines, dass es doch zu altmodisch sei, noch in Kutschen herumzufahren, die anderen halten es für zukunftsfähig. Unserer Meinung nach ist dieses Leben zu isoliert, die sich umgebende Umwelt wird nicht eingebunden, weshalb es nicht unbedingt zukunftsfähig ist. Es wird komplett auf neue Technologien verzichtet, weshalb natürlich Geld eingespart wird, jedoch sollte man unserer Meinung nach nicht zu sehr in der Vergangenheit fischen.
- Masdar City ist eine neu geplante Stadt in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Ziel ist es, an den weltweiten Arbeitsmarkt anzuknüpfen, innovative Technologien anzusiedeln, ein schnelles Transportsystem zu entwickeln und zudem emissionsfrei zu sein. Vor allem Studenten und Wissenschaftler sollten angelockt werden um die Stadt als Universitäts- und Forschungsstandort zu vermarkten. Außerdem wurde die Stadt mit einer „klimaerträglichen“ Architektur gebaut, die es angenehm macht in der Wüste zu wohnen. Das Wasser wird mit einer Entsalzungsanlage aufbereitet und zur Verfügung gestellt. Momentan leben allerdings nur bestimmte Bevölkerungsgruppen dort, die Stadt gleicht einer Geisterstadt. Verantwortliche machen vor allem die Weltwirtschaftskrise für ein bislang ausbleibendes Gelingen verantwortlich. Unserer Meinung nach ist es natürlich schwierig, eine Stadt aus dem Boden zu stampfen, vor allem in der Wüste, wo die Lebensumstände noch umständlicher sind. Es wäre evtl. sinnvoller, bestehende Städte mit diesen Ideen umzuwandeln. Man sollte keine bestimmten Bevölkerungsgruppen aus einer Stadt ausschließen, Ziel sollte eine lebendige und durchmischte Stadt zu schaffen, ohne die sozialen Gegebenheiten zu „überplanen“.
- Kenia hat es sich zum Ziel gesetzt, ein Silicon Valley in Kenia mit 20.000 Jobs zu erbauen. Keywords waren zudem intelligenter Verkehr, Fahrradfreundlichkeit und unabhängige Stromversorgung. Finanziert werden sollte das ganze durch Public Private Partnership, weshalb das ganze Projekt stillsteht, da alle Investoren abgesprungen sind.
- In Degersheim wohnen 30 Erwachsene und 30 Kinder in einer Blase des kommunalen Wohnens und der Selbstverwirklichung. Vor allem beschäftigt sich diese Gemeinschaft mit dem Anbau und Herstellung eigener Lebensmittel und ernährt sich selbst, vor allem nach der Philosophie der Permakultur. Doch auch das Heizen durch Bergwärme zeichnet das Leben in Degersheim aus. Die Bewohner sind beim „Global Eco Network“ vernetzt und heißen Außenstehende unter anderem durch Seminare willkommen. Auch wenn diese Lebensweise vielleicht der Traum des ein oder anderen ist, halten wir diese Lebensform als nicht unbedingt zukunftsweisend und urban.
- Feldheim übernimmt die Vorreiterrolle in Deutschland in Sachen Energieselbstversorger. Das Dorf hat sich zum Ziel gesetzt, sich von großen Energieversorgern zu lösen und durch Hackschnitzel, Windkraft und Photovoltaik regionale Energie und Wärme zu produzieren. Durch ein nach außen offenes Auftreten – wie Museen und Führungen – lenkt Feldheim die Aufmerksamkeit auf sich und vermittelt ihre Werte in Sachen lokale Energie- und Wärmeproduktion, was wir als sehr positiv bewerten.
- Dieses momentan entstehende Modell-Dorf soll komplett autark sein und setzt sich insbesondere mit Stoffkreisläufen auseinander: Gebäude, die mehr Energie produzieren als verbrauchen, die Verwendung erneuerbarer Energien, Wassermanagement- und Recyclingsysteme in Verbindung mit Aquaponics und vertikalen Gärten, umgesetzt durch Anwendung modernster Technologien. Das ist das wohl zukunftsweisendste Projekt, mit dem sich die Gruppe auseinandergesetzt hat, dennoch wird auch dieses Projekt neu realisiert und Bestandslösungen fehlen.
Zwischenfazit
Einige der sich autark machenden Dörfer oder Städte leben wohl noch nach der Utopie, das traditionelle Landleben ausleben zu können. Dennoch ist es an der Zeit, diese Vorstellungen und Lebensweisen in einen urbanen Kontext umzusetzen und diesen für viele Menschen zugänglich machen und nachhaltig zu gestalten. Unserer Meinung nach profitiert man von lokalen Produktionen, modernen Technologien und dem stärken von einzelnen Communities, die Teile eines großen Ganzen sind.
Arbeitsphase 3
Zum Schluss hat sich die Gruppe noch um eine zusammenfassende Übersicht bemüht, aufgeteilt in Dorf, City und Megacity mit den Themen Ernährung, Wasser, Ressourcenmanagement und Energie:
Beim Erstellen und Diskutieren ist besonders aufgefallen, dass man doch dazu neigt, Dörfer in den Bereich der Vorurteile zu stellen und auf traditionellere Lebensweisen zu setzen. Doch wenn Dörfer zukunftsfähig sein sollen müssen auch diese mit den modernen Technologien Schritt halten und den Bewohnern in einer Art und Weise das Leben erleichtern. In einem Dorf hat man vielleicht weniger mit Platzproblemen zu kämpfen, kann eher seinen eigenen Garten bewirtschaften und hat seinen Ressourcenkreislauf noch eher selbst unter Kontrolle als der in der Stadt lebende Mensch.
Dennoch ist es in allen drei Fällen wichtig, in irgendeiner Art und Weise ein gesamtheitliches Konzept oder Leitbild seinen Bürgern vorzustellen. Jede Stadt sollte für sich überlegen, wo Potenziale und Werte liegen und auf diesen aufbauen. An einigen Standorten mag es geeigneter sein, Energie aus Windkraft zu erzeugen oder Landwirtschaft zu betreiben. Der Schlüssel liegt dabei, lokale Gegebenheiten zu erkennen und zu nutzen, das Potential von Gemeinschaften zu fördern und sich Nachhaltigkeit zum Ziel zu setzen und neue Technologien für den Erhalt unserer Erde zu nutzen.
Ergebnisse
In einer letzten Feedbackrunde hat sich herauskristallisiert, dass alle Teilnehmer*innen auch von fachlichen Themen in den HOPOs begeistert sind. Es ist sehr spannend zu hören, wer welche Ansichten vertritt und welche Exkursionen, Seminararbeiten etc. zu jenen Themen gemacht wurden. Unserer Meinung nach sollte ein Ziel für die Zukunft sein, sich ruhig auch an fachliche Themen in den HoPos zu wagen!